24. 06. 2019

Wenn Träume der Jugend zum Wirtschaftsfaktor werden

Ohne asiatischen Markt stünden bei deutschen Herstellern die Zeichen auf Sturm, da in den Schwellenländern derzeit noch gilt, dass nur das Neueste und Stärkste auch das Beste ist. Demzufolge lassen sich insbesondere deutsche Modelle noch gut in diesen aufstrebenden Ländern absetzen, während z.B. in Deutschland der Fuhrpark der Autofahrernation immer stärker altert. Aktuell liegt das Durchschnittsalter der deutschen Automobile laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) über 9 Jahren (Vorjahre bei 8,8 bzw. 8.3 Jahre). Im Grunde spiegeln sich in diesen Zahlen die Veränderungen der Gesellschaft wieder: nachlassendes Neuwagengeschäft in einer stetig alternden Gesellschaft.

Wen verwundert es da, dass sich der Markt für klassische Fahrzeuge vollkommen anders präsentiert. Gemeint sind hier jene Fahrzeugbestände, die in Deutschland als Youngtimer und Oldtimer bezeichnet werden. Fahrzeuge die bereits aus den Gebrauchtwagenlisten von Schwacke und DAT verschwunden sind (etwa nach 12-13 Jahren) und nun in der Gruppe der 15 – 29 Jahre alten Fahrzeuge entweder doch den Weg alles irdischen gehen oder als Youngtimer liebevoll erhalten werden. Der Bestand dieser Youngtimer-Fahrzeuge wuchs konträr zum Neu- und Gebrauchtwagenmarkt im vergangenen Jahr um weitere 23 Prozent auf nahezu 7 Mio. Automobile an. Motorrad-Youngtimer (15-29 Jahre) legten um 18% auf knapp 2.0 Mio. Fahrzeuge zu. Auch die sogenannten Oldtimer (Alter über 30 Jahre) gehören zu den Wachstumsgruppen im Automobilbereich. In 2017 stiegt die Zahl der über 30jährigen Automobile mit H-Kennzeichen auf 431.000 Fahrzeuge an, Anfang 2018 waren es bereits 477.000 Fahrzeuge. Gesundes Wachstum im historischen Segment mit weiter steigender Tendenz.

Erste Pflänzchen im Oldtimersegment im Jahre 1970

Seine ersten Pflänzchen hat dieser Markt für klassische Fahrzeuge etwa Ende der 1970er Jahre hergebracht, gefolgt von ersten Fachzeitschriften mit Oldtimerthemen, die sich jedoch noch verstärkt um Vorkriegsmodelle kümmerten. Jugendliche waren damals als Auto- und Motorradfahrer eben noch „cooler“ als Fussgänger und der Führerschein war sozusagen die erste Aktion im Rahmen der Volljährigkeit. Die Wirtschaftswunderjahre waren eben ausgeklungen, doch die Deutschen wollten das modernste, beste und stärkste Modell. Mittlererweile sind die Neuwagen von damals selbst „historisches Kulturgut“, wenngleich dieses Etikett bei einem in industrieller Millionenauflage gefertigtem Golf für manchen nicht nachvollziehbar ist. Der Boom im Oldtimermarkt setzte ein, als die Jugendlichen der 1970er bis 1980er Jahre selbst zur etablierten und gutverdienenden Gesellschaftsgruppe aufstiegen. Und diese Gesellschaftgruppe wird auch in den kommenden Jahren für eine solide Weiterentwicklung des Marktes klassischer Fahrzeuge sorgen. Die permanenten Zuwächse vor allem im Youngtimer-Markt unterstreichen diese Annahme.

Kritisch wird es für diesen Markt klassischer Fahrzeuge erst, wenn die „Illusion und Forderung nach grenzenloser Mobilität“ von nachfolgenden Generationen nicht mehr mitgetragen wird oder anderen Werten weichen muss. Dazu zählt beispielsweise immer das Außergewöhnliche und Besondere. Mit großem Mißtrauen beäugt die „Generation Facebook“ die Rekordmeldungen zu millionenschweren Auktionsergebnissen klassischer Fahrzeuge und die Medien überbieten sich darin, das Hobby Oldtimer zur lukrativen Geldanlage umzumünzen. Wen wundert es also, dass sich Vorurteile wie „Oldtimer und klassische Fahrzeuge sind ein teures Hobby“ wie alter Kaugummi unter der Tischkante halten, obwohl laut Angaben der deutschen Versicherungswirtschaft die Oldtimerbestände mit durchschnittlich gerademal 20.000 EURO versichert sind. Also weder teuer noch eine besondere Geldanlage – eher ein Hobby einer Generation, die sich um die Träume ihrer Jugend kümmert. Und da diese Generationen zu den geburtenstärksten Jahrgängen gehören, konnte sich ein millionenschwerer Markt – neueste Studien sprechen von einem Milliardenmarkt – für klassische Fahrzeuge entwickeln. Diese Mehrheit sorgt auch weiterhin mit ihren Vorlieben für den Antrieb im Klassikermarkt. Tendenziell sind es zwei Möglichkeiten, die diesen Markt schwächen könnten. Erstere sieht hier die „Generation Facebook“ mit ihren schwächer ausgebildeten Automobil-Genen, die sich aufgrund ihrer digitalen Vorlieben anderen „Retro-Trends“ zuwenden könnte und die zweite Möglichkeit warnt davor automobiles Kulturgut über Feinstaub- und Umweltrichtlinien oder steuerliche und ordnungspolitische Dämpfer auszubremsen.